Benutzer-Werkzeuge

Systemaufstellungen - Aufstellungsarbeit im Coaching

Grundlagen der Aufstellungsarbeit

Definition

Systemaufstellungen sind eine erlebnisorientierte Methode zur Visualisierung und Bearbeitung von Beziehungsdynamiken, Strukturen und unbewussten Mustern in verschiedenen Systemen (Familie, Organisation, innere Anteile).

Grundprinzip: Komplexe Systemdynamiken werden durch räumliche Anordnung von Repräsentanten sichtbar und veränderbar gemacht.

Historische Entwicklung

Ursprünge

  • Virginia Satir: Familienskulptur in der Familientherapie (1960er)
  • Bert Hellinger: Familienaufstellungen (1980er/90er)
  • Gunthard Weber: Systemische Organisationsaufstellungen
  • Matthias Varga von Kibéd & Insa Sparrer: Strukturaufstellungen

Weiterentwicklung

  • Organisationsaufstellungen (Gunthard Weber, Georg Breiner)
  • Strukturaufstellungen (SySt®-Institut)
  • Einzelaufstellungen mit Bodenankern/Figuren
  • Online-Aufstellungen

Theoretische Grundlagen

Systemische Grundannahmen

System-Eigenschaften

  • Ganzheitlichkeit: Das System ist mehr als die Summe seiner Teile
  • Wechselwirkung: Alle Elemente beeinflussen sich gegenseitig
  • Ordnung: Systeme folgen bestimmten Gesetzmäßigkeiten
  • Hierarchie: Unterschiedliche Ebenen und Rangordnungen

Systemprinzipien

  • Zugehörigkeit: Jedes Mitglied hat ein Recht auf seinen Platz
  • Ordnung: Hierarchien und Rangfolgen müssen beachtet werden
  • Ausgleich: Geben und Nehmen sollten im Gleichgewicht sein
  • Anerkennung: Was ist, muss gewürdigt werden

Morphogenetisches Feld

Konzept

Morphische Resonanz (Rupert Sheldrake): Informationsfeld, das Strukturen und Verhalten von Systemen beeinflusst.

Aufstellungsrelevanz

  • Stellvertreter haben Zugang zu Systeminformationen
  • Unbewusste Dynamiken werden spürbar
  • Lösungsimpulse entstehen aus dem Feld

Aufstellungsformen im Coaching

Familienaufstellungen

Anwendungsbereiche

  • Beziehungskonflikte und Partnerschaftsprobleme
  • Generationenthemen und Familiengeheimnisse
  • Berufliche Entscheidungen mit familiären Hintergründen
  • Lebensübergänge und Lebenskrisen

Typische Fragestellungen

  • „Warum scheitern meine Beziehungen immer wieder?“
  • „Was hält mich davon ab, beruflich erfolgreich zu sein?“
  • „Wie kann ich mich von alten Familienmustern befreien?“

Organisationsaufstellungen

Einsatzgebiete

  • Teamdynamiken: Konflikte und Kommunikationsprobleme
  • Führungsthemen: Positionierung und Autorität
  • Strukturveränderungen: Fusionen, Umorganisationen
  • Strategieentwicklung: Zielfindung und Prioritätensetzung

Aufstellungselemente

  • Personen (Mitarbeiter, Führungskräfte, Kunden)
  • Abteilungen und Teams
  • Ziele und Visionen
  • Produkte und Dienstleistungen
  • Märkte und Konkurrenz

Strukturaufstellungen

Konzept

Abstrakte Aufstellungen mit wenigen, klar definierten Elementen zur Bearbeitung spezifischer Fragestellungen.

Häufige Formate

Problem- und Lösungsaufstellung:

Elemente: Problem - Person - Lösungsraum
Frage: „Was braucht es für eine Lösung?“

Tetralemma:

Elemente: Das Eine - Das Andere - Beides - Keines von Beiden - All-Eins
Frage: Entscheidungsfindung bei Dilemmas

Zeitlinienaufstellung:

Elemente: Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft
Frage: Zeitliche Entwicklungen und Übergänge

Einzelaufstellungen

Methoden

  • Bodenanker: Papier, Kissen oder Markierungen am Boden
  • Figuren: Playmobil, Holzfiguren, symbolische Objekte
  • Imaginäre Aufstellungen: Rein mentale Visualisierung

Vorteile

  • Keine Stellvertreter nötig
  • Flexibel in Zeit und Ort
  • Intimere Atmosphäre
  • Geringere Hemmschwelle

Ablauf einer Aufstellung

Vorbereitung

Anliegen klären

  1. Konkrete Fragestellung formulieren
  2. Relevante Systemelemente identifizieren
  3. Aufstellungsform auswählen
  4. Erwartungen und Ziele besprechen

Setting vorbereiten

  • Ausreichend Raum schaffen
  • Störungen minimieren
  • Stellvertreter instruieren (bei Gruppenaufstellungen)
  • Materialien bereitstellen (bei Einzelaufstellungen)

Durchführung

Phase 1: Aufstellen des Ist-Zustandes

  1. Klient wählt Stellvertreter/positioniert Elemente
  2. Intuitive Platzierung im Raum
  3. Erste Wahrnehmungen der Stellvertreter erfragen
  4. Ist-Bild vollständig erfassen

Phase 2: Dynamiken erkunden

  1. Bewegungsimpulse folgen lassen
  2. Veränderungen der Positionen beobachten
  3. Verbale und nonverbale Äußerungen beachten
  4. Systemische Muster identifizieren

Phase 3: Lösungsbild entwickeln

  1. Interventionen durch Aufstellungsleiter
  2. Repositionierung von Elementen
  3. Neue Stellvertreter hinzufügen/entfernen
  4. Bis zur Entlastung und Klarheit arbeiten

Phase 4: Integration

  1. Lösungsbild verankern
  2. Klient nimmt seinen Platz ein
  3. Nachspürzeit ermöglichen
  4. Erste Schritte für Umsetzung klären

Nachbereitung

Reflexion

  • Erkenntnisse und Aha-Momente besprechen
  • Übertragung auf die Realität diskutieren
  • Handlungsschritte ableiten
  • Weitere Termine planen

Integration

  • Aufstellungsbilder mental verankern
  • Neue Verhaltensweisen einüben
  • Systemveränderungen im Alltag umsetzen
  • Follow-up nach einigen Wochen

Spezielle Aufstellungsformate

Symptomaufstellungen

Anwendung

Körperliche oder psychische Symptome als Systemelement aufstellen

Typische Elemente

  • Person - Symptom - Ursache - Heilung
  • Verschiedene Körperteile/Organe
  • Krankheit - Gesundheit - Ressourcen

Entscheidungsaufstellungen

Format

Elemente: Person - Option A - Option B - Entscheidung
Erweiterung: Konsequenzen, Hindernisse, Unterstützung

Variation: Werte-Aufstellung

Elemente: Person - verschiedene Werte - Priorität
Frage: „Welche Werte sind mir wirklich wichtig?“

Ressourcenaufstellungen

Ziel

Verborgene Potenziale und Kraftquellen sichtbar machen

Mögliche Elemente

  • Stärken und Talente
  • Unterstützende Personen
  • Erfolgreiche Projekte
  • Spirituelle/emotionale Ressourcen

Zielaufstellungen

Aufbau

Grundelemente: Person - aktueller Zustand - Ziel
Erweiterung: Hindernisse - Ressourcen - nächste Schritte

Variationen

  • Vision-Aufstellung: Lebensvision und Teilziele
  • Projekt-Aufstellung: Komplexe Vorhaben strukturieren
  • Karriere-Aufstellung: Berufliche Entwicklung

Interventionsmöglichkeiten

Positionsveränderungen

Techniken

  • Repositionierung: Stellvertreter an neuen Platz stellen
  • Blickrichtung ändern: Neue Perspektiven ermöglichen
  • Abstand variieren: Nähe und Distanz regulieren
  • Höhenunterschiede: Hierarchien verdeutlichen

Hinzufügungen

Neue Elemente

  • Ressourcen: Kraft, Unterstützung, Weisheit
  • Fehlende Personen: Verstorbene, Ausgeschlossene
  • Abstrakte Konzepte: Liebe, Erfolg, Frieden
  • Lösungselemente: Neue Wege, Möglichkeiten

Verbale Interventionen

Lösungssätze

Heilsame Sätze, die von Stellvertretern gesprochen werden:

  • „Ich sehe dich und respektiere deinen Platz“
  • „Es tut mir leid, was dir geschehen ist“
  • „Ich gebe dir die Verantwortung zurück“
  • „Du gehörst dazu“

Rituelle Handlungen

  • Sich verneigen als Zeichen der Achtung
  • Etwas zurückgeben oder übernehmen
  • Symbolische Gesten der Verbindung
  • Abschiede und Neuanfänge markieren

Coaching-spezifische Anwendungen

Führungscoaching

Typische Aufstellungen

  • Führungskraft - Team - Aufgaben - Ziele
  • Chef - Mitarbeiter - Konflikte - Lösungen
  • Verschiedene Führungsstile und deren Wirkung
  • Work-Life-Balance: Beruf - Familie - Freizeit - Person

Erkenntnisse

  • Unbewusste Führungsmuster erkennen
  • Teamdynamiken verstehen
  • Autorität und Verantwortung klären
  • Delegationsfähigkeit entwickeln

Karrierecoaching

Aufstellungsthemen

  • Berufliche Optionen und Entscheidungen
  • Karrierehindernisse und -fördern
  • Beruf - Berufung - Einkommen
  • Verschiedene Lebensbereiche in Balance bringen

Lösungsansätze

  • Verborgene Talente entdecken
  • Hinderliche Glaubenssätze auflösen
  • Unterstützungsnetzwerke aktivieren
  • Nächste Schritte konkretisieren

Persönlichkeitsentwicklung

Innere Anteile aufstellen

  • Verschiedene Persönlichkeitsaspekte
  • Innere Stimmen und Kritiker
  • Träume und Ängste
  • Inneres Kind - Erwachsener - Weiser

Lebensbereiche

  • Gesundheit - Beziehung - Beruf - Spiritualität
  • Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft
  • Verschiedene Rollen im Leben

Grenzen und Kontraindikationen

Grenzen der Methode

Nicht geeignet für:

  • Akute psychische Krisen
  • Schwere Traumata (ohne therapeutische Begleitung)
  • Personen in akuter Suchtproblematik
  • Menschen ohne Realitätsbezug

Methodische Grenzen

  • Interpretation ist subjektiv
  • Keine „objektive Wahrheit“
  • Abhängig von der Kompetenz des Leiters
  • Kulturelle Unterschiede beachten

Risiken und Nebenwirkungen

Mögliche Reaktionen

  • Emotionale Aufwühlungen: Tränen, Wut, Trauer
  • Körperliche Reaktionen: Müdigkeit, Unruhe
  • Nachbearbeitungszeit: Tage bis Wochen
  • Systemreaktionen: Veränderungen im Umfeld

Vorsichtsmaßnahmen

  • Gründliche Anamnese vor Aufstellung
  • Stabilisierung nach intensiven Prozessen
  • Nachbetreuung anbieten
  • Grenzen der eigenen Kompetenz kennen

Qualifikation und Ausbildung

Ausbildungswege

Grundausbildung Familienaufstellungen

  • Dauer: 1-2 Jahre, berufsbegleitend
  • Inhalte: Theorie, Praxis, Selbsterfahrung
  • Abschluss: Zertifikat der jeweiligen Schule

Systemische Strukturaufstellungen

  • SySt®-Institut: Zertifizierte Ausbildung
  • Dauer: Mehrere Module über 2-3 Jahre
  • Fokus: Strukturelle und lösungsorientierte Ansätze

Organisationsaufstellungen

  • Spezialisierung: Business- und Organisationskontext
  • Voraussetzung: Oft systemische Beratungsausbildung
  • Anbieter: Verschiedene Institute und Trainer

Erforderliche Kompetenzen

Grundqualifikationen

  • Systemisches Grundverständnis
  • Gruppendynamische Erfahrung
  • Eigene Aufstellungserfahrung (min. 50 Aufstellungen)
  • Supervision und Intervision

Persönliche Eigenschaften

  • Intuition und Achtsamkeit
  • Emotionale Stabilität
  • Respekt vor dem System
  • Demut und Zurückhaltung

Integration in den Coaching-Prozess

Wann Aufstellungen einsetzen?

Geeignete Situationen

  • Komplexe Beziehungsthemen
  • Festgefahrene Muster
  • Unklare Entscheidungssituationen
  • Wiederkehrende Probleme
  • Systemische Blockaden

Vorbereitung im Coaching

  1. Vertrauen und Rapport aufbauen
  2. Systemisches Denken einführen
  3. Aufstellungsarbeit erklären
  4. Bereitschaft und Offenheit prüfen
  5. Kontraindikationen ausschließen

Kombination mit anderen Methoden

Vor der Aufstellung

  • Systemische Fragen: Kontext explorieren
  • Genogramm: Familiensystem erfassen
  • Zielarbeit: Klare Fragestellung entwickeln

Nach der Aufstellung

  • Reflexion: Erkenntnisse vertiefen
  • NLP-Techniken: Lösungsbilder verankern
  • Verhaltensübungen: Neue Muster einüben
  • Aktionsplanung: Konkrete Schritte definieren

Ethische Überlegungen

Ethische Grundsätze

Respekt vor dem System

  • Keine vorschnellen Bewertungen
  • Anerkennung der Systemweisheit
  • Demut vor komplexen Zusammenhängen
  • Vorsicht bei Interpretationen

Verantwortung des Aufstellungsleiters

  • Sorgfältige Vorbereitung und Nachbereitung
  • Schutz der Teilnehmer vor Retraumatisierung
  • Abgrenzung zur Therapie beachten
  • Eigene Grenzen erkennen und kommunizieren

Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht

Informationspflicht

  • Methode und mögliche Wirkungen erklären
  • Grenzen und Risiken aufzeigen
  • Freiwilligkeit sicherstellen
  • Datenschutz und Schweigepflicht

Nachsorge

  • Stabilisierung nach intensiven Prozessen
  • Erreichbarkeit für Rückfragen
  • Verweisung an Therapeuten bei Bedarf
  • Follow-up-Termine anbieten

Weiterführende Ressourcen

Grundlagenliteratur

Klassiker

  • Bert Hellinger: „Ordnungen der Liebe“
  • Gunthard Weber: „Praxis der Organisationsaufstellungen“
  • Matthias Varga von Kibéd: „Ganz im Gegenteil“

Coaching-spezifisch

  • Georg Breiner: „Systemaufstellungen in Coaching und Beratung“
  • Jan Jacob Stam: „Systemaufstellungen in der Einzelberatung“
  • Kristine Alex: „Systemische Strukturaufstellungen im Coaching“

Verbände und Organisationen

  • DGfS: Deutsche Gesellschaft für Systemaufstellungen
  • SySt®-Institut: Strukturaufstellungen
  • DGTA: Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (Aufstellungssektion)

Weiterbildungsmöglichkeiten

  • Regelmäßige Übungsgruppen
  • Supervision und Intervision
  • Spezialisierungsrichtungen
  • Internationale Kongresse und Workshops

bitte übersetzen This website uses cookies. By using the website, you agree with storing cookies on your computer. Also, you acknowledge that you have read and understand our Privacy Policy. If you do not agree, please leave the website. Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung der Website stimmen Sie der Speicherung von Cookies auf Ihrem Computer zu. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzrichtlinie gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie bitte die Website.

Weitere Information